Fachinfo für zuweisende Ärztinnen und Ärzte
Standard Anästhesievorbereitung
Auf den nachfolgenden Seiten informieren wir Sie als zuweisenden Arzt über die aktuellen Standards für die Vorbereitung Ihrer Patienten vor einer Operation am Klinikum Neumarkt – sei es stationär oder auch ambulant. Bitte nutzen Sie diese Handlungsempfehlung, sie ist eindeutig und damit leicht umsetzbar.
Grundlage der formulierten Empfehlungen für die Patientenvorbereitung sind die 2024 aktualisierten Standards der Fachgesellschaften Anästhesie & Intensivmedizin, Chirurgie und Innere Medizin. Die Vorgaben zur Gabe von Medikamenten und dem Absetzen von Medikamenten und der Gabe von Flüssigkeit und Nahrung beziehen sich auf die aktuelle Literatur und die Empfehlungen der Fachgesellschaften.
Erforderliche Voruntersuchungen
Grundlage aller Entscheidungen sind Anamnese und klinische Untersuchung der Patienten. Bei operativen Eingriffen ist eine strukturierte Gerinnungsanamnese zur Beurteilung des Blutungsrisikos essentiell. Die von Seiten der operativen Fachabteilungen formulierten Standarduntersuchungen und Labordiagnostik sind nicht Inhalt der vorliegenden Fachinformation.
Mit den hier dargestellten Anforderungen sind aber die Minimalstandards für eine sachgerechte peräoperative Vorbereitung benannt.
Apparative Untersuchungen/Laborwerte
Die Labordiagnostik richtet sich aus anästhesiologischer Sicht auf die Validierung klinischer Erkrankungen und den Einfluss von Medikamenten auf Laborparameter. Es gibt keine Altersgrenze. Sinnvolle Minimalstandards sind in der Tabelle angegeben:
Indikationen für präoperative Blutuntersuchungen (Minimalstandard)

Die Laborwerte Blutbild, Na, K, Kreatinin, Harnstoff, Quick, aPTT sind bei Eingriffen mit dem Risiko größerer Blutverluste auch ohne Verdacht auf Organerkrankungen als Ausgangsbasis zu bestimmen.
Die Durchführung eines 12-Kanal-EKG ist prinzipiell nicht altersgebunden. Anamnestisch unauffällige und kardial asymptomatische Patienten benötigen kein EKG für Eingriffe mit geringem Risiko.
Patienten > 65 Jahre mit einem Eingriff mittleren Risikos oder höher sollen ein 12-Kanal-EKG präoperativ erhalten.
Patienten mit klinischen Symptomen einer ischämischen Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen, Klappenerkrankungen, Vitien, Herzinsuffizienz oder ICD-Träger benötigen ein EKG präoperativ.
Bei relevanten kardialen Erkrankungen können die Biomarker zur Ischämie bzw. dekompensierter Herzinsuffizienz für die Risikobewertung zugezogen werden.

Patienten mit genannten Systemen benötigen nur eine Gerätekontrolle, wenn die letzte mehr als 6 Monate zurückliegt oder akut Probleme bestehen. Die Ausweise mit Prüfdaten zu den Devices sind für die OP mitzubringen.
Die Durchführung eines Röntgen-Thorax ist nur indiziert, wenn eine klinische Verdachtsdiagnose mit Konsequenzen für das perioperative Vorgehen (Pleuraerguss, Atelektase, Pneumonie,…) erhärtet/ausgeschlossen werden muss. Feste Altersgrenzen für eine Routine bestehen nicht.
Altersmedizin
Die Altersgebrechlichkeit (Frailty) ist die Entität, die am stärksten mit postoperativen Komplikationen, Morbidität und Letalität assoziiert ist. Bei betroffenen Patientinnen und Patienten erfolgt auf Grund des hohen Risikos daher ein adjustiertes perioperatives Management.
Das erhöhte perioperative Risiko sollte im Rahmen von partizipativer Entscheidungsfindung bereits bei der Indikationsstellung zur Operation berücksichtigt werden.
Die präoperative Evaluation älterer Patient:innen (>70 Jahre), die sich einer Operation mit mittlerem oder hohem eingriffsbezogenem Risiko unterziehen, kann durch ein Frailty-Screening ergänzt werden.
Benennung perioperativer Risiken für Eingriffe aller Fachrichtungen
Neben den patientenspezifischen Risiken, die sich aus den allgemeinen Vorerkrankungen und der altersabhängigen Leistungsminderung ableiten lassen, sind für eine differenzierte Einschätzung auch die eingriffsspezifischen Risiken der geplanten Operationen zu beachten. Operationen mit hoher medizinischer Tragweite führen im Kontext zu deutlich höheren perioperativen Risiken, die sowohl für die Indikationsstellung als auch für die Vorbereitung und Abklärung der tatsächlichen aktuellen Leistungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten Beachtung finden.
Die folgende Tabelle dient als Anhalt für eine Bewertung von Operationen aller Fachdisziplinen.

Blood-Patient-Management
Ziel des Konzeptes ist die Verbesserung der Patientensicherheit durch die Stärkung der körpereigenen Blutreserven.
In den letzten Jahren hat sich für die Gabe von Blutprodukten ein deutlicher Erkenntnisgewinn zu den Risiken gezeigt. Gleichzeitig besteht Evidenz, dass die Transfusionstrigger ohne Reduktion der Patientensicherheit deutlich gesenkt werden konnten und auch Patienten mit kardialen Vorerkrankungen niedrige Hb-Werte sicher tolerieren. Entsprechend bestehen die Vorgaben durch die 2020 aktualisierte Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer.
Die frühe Diagnose einer Anämie und die Therapie derselben vor verschiebbaren Eingriffen mit hohem Transfusionsrisiko resultiert in einer Reduktion der Fremdblutgabe. Die Identifikation sollte im Rahmen der OP-Indikationsstellung erfolgen und daraus resultierend die erforderliche Therapie etabliert und der OP-Zeitpunkt fixiert werden.
Absetzen und Weiterführen der Patientenmedikation
Die Medikation von Patienten ist in der Regel für die Kontrolle der Grunderkrankungen essentiell. Daraus leitet sich ab, dass auch in der perioperativen Phase die Medikamente nach Möglichkeit weitergegeben werden.
Zwingend erforderlich ist die Therapie bei Patienten mit endovaskulären/koronaren Stents. Die vom Kardiologen angegebene Gabe der Medikation ist in Absprache mit dem Operateur für mittlere und große Eingriffe anzupassen: Hier wird in der Regel der P2Y12-Antagonist 5-7 Tage präoperativ abgesetzt, ASS 100 mg muss aber weitergegeben werden. Grundsätzlich sind die Zeitabstände zwischen Stentanlage und OP entsprechend der Vorgaben der Kardiologen einzuhalten.
Diese Substanzgruppe besteht vor allem aus den Vitamin K-Antagonisten und den NOAK, die beispielsweise bei Vorhofflimmern oder zur Prophylaxe und Therapie von Thrombosen und Embolien eingesetzt werden. Die Substanzen müssen bei Eingriffen mit relevantem Blutungsrisiko/Blutverlust ausreichend frühzeitig abgesetzt werden. Gegebenenfalls kann eine Überbrückung mit Heparinen (NMH oder UFH) erfolgen, wenn ein hohes Thrombembolierisiko besteht.

Grundsätzlich sind die Medikamente perioperativ weiterzugeben. Bei Eingriffen mit großem Blutungsrisiko und Volumenverschiebung werden ACE-Inhibitoren und AT2-Rezeptorantagonisten am OP-Tag abgesetzt.
Antidiabetika
Bei Vorliegen eines Typ-2-Diabetes können bei elektiven chirurgischen Eingriffen DPP-4-Inhibitoren sowie Glitazone auch am Tag der Operation weitergegeben werden.
- Metformin ist 48 Stunden präoperativ abzusetzen (Gefahr der Laktazidose bei Niereninsuffizienz).
- Die Therapie mit einem täglich eingenommenen GLP-1-Agonisten ist am OP-Tag zu unterbrechen. Bei GLP-1- Agonisten dagegen, die nur einmal pro Woche verabreicht werden (Semaglutid und Dulaglutid), sollte der letzte Applikationszeitpunkt eine Woche vor der geplanten Operation liegen.
- SGLT-2-Inhibitoren sollten bei Operationen mit niedrigem eingriffsbezogenem Risiko mindestens 24 - 48 Stunden und bei Operationen mit mittlerem und hohem eingriffsbezogenem Risiko mindestens 72 Stunden präoperativ pausiert werden.
- Insulin wird am OP-Tag nur als reduziertes Basalinsulin verabreicht. Engmaschige Blutzuckerüberwachung ist obligat.
Lipidsenker werden perioperativ weitergegeben.
Die Dauermedikation wird in der Regel nicht unterbrochen. Auf Grund von relevanten Wechselwirkungen mit Anästhetika bei indirekten MAO-Hemmern (Clorgylin auf MAO A, Deprenyl auf MAO B) sind diese auf reversible MAO-Hemmer (Moclobemid auf MAO A, RO-19-6327 auf MAO B) zu tauschen. Lithium soll 72h vor OP abgesetzt werden.
Auf Grund der häufig schwierigen Einstellung werden die Medikamente perioperativ weitergegeben.
Einer Dauermedikation wird auch perioperativ weitergeführt. Erforderlichenfalls wird je nach Eingriff additiv mit i.v.-Corticoiden substituiert.
Zusammenfassung
Die vorgestellten Anforderungen an die präoperativen Untersuchungen und die Angaben zum Umgang mit der Patientenmedikation wird die Vorbereitung der Patienten zur OP sicher erleichtern. Die Einnahme der Medikamente am OP-Morgen kann problemlos mit klarer Flüssigkeit (Wasser, Kaffee, Tee, …) erfolgen. Klare Flüssigkeiten vor der OP führen zu keiner relevanten Beeinträchtigung der Nüchternheit.
Die Bewertung des Patientenzustandes, im Besonderen die einer Anämie, ist ein neuer Aspekt in der Vorbereitung auf eine Operation mit Blutungsrisiko. In Zusammenarbeit des ambulanten und des stationären Teams wird hier eine weitere Optimierung für die Patientensicherheit zu erzielen sein.
Sollten Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an Chefarzt Prof. Dr. Ulrich Schwemmer und das gesamte Team der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin wenden.